Tags: Lektorat, Literatur, Verlagswelt
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Wir lieben Bücher, wir lesen Bücher, wir schreiben von Büchern. Heute haben wir dazu eine regelrechte Expertin der Bücher befragt: Lisa Helmus, Lektorin beim Kladdebuchverlag.

 

11 Fragen an Lektorin Lisa  

 

Scriptbakery: Liebe Lisa, Du bist Lektorin beim Freiburger Kladdebuchverlag. Da denkt man als Laie vielleicht zunächst, dass Du vor allem eines machst: Lesen, lesen, lesen. Wie sieht ein normaler Arbeitsalltag für Dich wirklich aus?

Lisa: Tatsächlich besteht er hauptsächlich aus E-Mail-Korrespondenzen. Druckerei, Setzer_innen, Grafiker_innen, Autor_innen – alle müssen über den Stand der Dinge auf dem Laufenden gehalten werden. Und weil wir im Kladdebuchverlag mit Crowdfundings arbeiten, gibt es nicht nur Verlagsabläufe, die abgestimmt werden müssen, sondern auch noch die Erstellung von Webseiten, die Bearbeitung von Inhalten dafür usw.

Eigentlich schreibe ich mehr, als dass ich lese 😉

 

Scriptbakery: Woran erkennst Du ein gutes Manuskript? Und was sind absolute No-Gos?

Lisa: Es gibt für mich zwei sehr wichtige Kriterien: Wie originell ist die Idee für das Manuskript und Wie drückt sich der Autor oder die Autorin sprachlich aus? Glücklicherweise können wir bei Kladde auch besondere Projekte machen, die nicht im Mainstream ankommen müssen – da ist es natürlich wichtig, dann auch die Manuskripte rauszusuchen, die wirklich was anderes sind. No-Gos sind die Einsendung von Manuskripten, die gar nicht zum Verlagsprogramm passen oder Anschreiben voller Rechtschreibfehler. Klassiker.

Lektorin Lisa

Scriptbakery: Gibt es Standard-Fehler, die beim Texteverfassen immer und immer wieder gemacht werden und Dir in Deinem Beruf ständig über den Weg laufen?

Lisa: Tempus-Fehler finde ich tatsächlich in jedem Manuskript, das ich bearbeite. Tempora wie Perfekt oder das Plusquamperfekt sind auch ganz schön gemein, weil man mit den Hilfsverben ständig Wiederholungen einbauen muss – aber die Zeiten müssen schon passen, sonst wird’s wirr.

Scriptbakery: Liest Du auch in Deiner Freizeit noch viel? Und korrigierst Du dann in Gedanken alle Rechtschreib- und Grammatikfehler?

Lisa: Ich lese sehr viel weniger, seit ich diesen Job mache, das Klischee trifft wirklich zu. Es ist schon so, dass Menschen mit viel Idealismus und Liebe zum Buch das ganz schnell verlieren können, wenn sie auf einmal Einzüge prüfen und Anführungszeichen korrigieren müssen. Der Job einer Lektorin ist eben auch ein Beruf in der freien Wirtschaft, das darf man beim Einstieg nicht vergessen. Und ja, die Fehler in Büchern, die ich in meiner Freizeit lese, schreien mich mittlerweile auf jeden Fall noch lauter an als ohnehin schon – auch, weil ich viel besser sehe, wo geschludert wurde (ohne dass es sich zwangsläufig um Fehler handeln muss).

Scriptbakery: Was würdest Du jemandem empfehlen, der/die Lektor:in werden möchte? Ein bestimmtes Studium zum Beispiel?

Lisa: „Irgendwas mit Sprachen“ ist auf jeden Fall ein guter Ansatz. Ich persönlich glaube aber nicht, dass ein bestimmter Abschluss besonders qualifizierend ist – wenn ich juristische Fachbücher lektorieren will, ist es viel sinnvoller, was mit Recht gemacht zu haben, als die Deutsche Sprache zu studieren. Und Butter bei die Fische: Ich habe in meinem Lateinunterricht in der 11. Klasse mehr hilfreiche Fakten über deutsche Grammatik gelernt als im Laufe meines gesamten Linguistik-Studiums. Cool sind auch ganz spezifische Studiengänge wie „Buchwirtschaft“ – da geht es dann um den BWL-Aspekt des Berufes (den Sprachwissenschaftler:innen nicht behandeln), das kann ein gutes Einstellungskriterium für einen Verlag sein.

Wichtig ist: ganz viel Übung. Freundet euch mit Schreiberlingen an, korrigiert, korrigiert, korrigiert. Man bekommt nur ein Händchen für die gängigen Fehler, wenn man sie hundertfach vor der Nase hat. Praktika, Teilzeitstellen und freiberufliche Projekte sind in diesem Job wesentlich sinnvoller als eine sprachwissenschaftliche Ausbildung.

Lektorin beim Kladdebuchverlag: Lisa Helmus

Scriptbakery: Du arbeitest als Lektorin sehr eng mit den Autorin und Autorinnen zusammen, deren Bücher du lektorierst. Ich stelle mir vor, dass das bereichernd, aber auch mal anstrengend werden kann?

Lisa: Es ist toll, immer wieder mit neuen, interessanten Persönlichkeiten in Kontakt zu kommen – das ist ein Teil meines Berufes, den ich wirklich liebe. Natürlich gibt es auch schrullige Zeitgenossen oder die abgehobenen Künstler:innen, die sich von mir am liebsten gar nichts sagen lassen möchten. Da ist dann Feingefühl und ein bestimmtes Auftreten notwendig, das ist auf jeden Fall auch mal sehr anstrengend.

Scriptbakery: Gibt es im Lektorats-Business echte „Stars“ oder Größen, also Lektor:innen, die Vorbilder für Dich sind?

Lisa: Das Undankbare am Lektor:innen-Dasein ist ja, dass einen niemand sieht. Obwohl viele Lektor:innen in Verlagen schon fast völlig abgehoben sind, weil sie eine Gatekeeper-Funktion innehaben und täglich bittstellende Mails im Postfach vorfinden, kann niemand den Lektor vom Herrn der Ringe oder von Harry Potter beim Namen nennen. „Stars“ findet man in der Branche also generell eher nicht.

Ein großes Vorbild für mich ist meine Chefin, bei der ich im Volontariat das „Handwerkszeug“ gelernt habe. Eine superliebe, empathische Person, die aber gleichzeitig knallhart und professionell auftreten konnte. Ich habe total viel von ihr mitgenommen und erinnere mich gern an sie und das Team in dem Verlag zurück.

Schreiben auf Papier, Kaffee in der Hand

Scriptbakery: Was ist a) das Beste und b) das Skurrilste, was Du jemals lektoriert hast?

Lisa: Das Beste waren zwei Bücher von Autor:innen, mit denen ich jeweils total gut zusammenarbeiten konnte, und die Texte geschrieben hatten, die ich auch persönlich gerne gelesen habe. Ich hab mich bei jeder Überarbeitungsrunde gefreut, die Datei zu öffnen und die Kommentare anzuschauen – und das ist echt superviel wert. Das eine war die Kurzgeschichtensammlung von Sabine Wirsching „Man kann sich nicht immer aufhängen“ und das andere der Schwedenkrimi „Lågomby“ von Rachel Oidtmann und Felix Maier-Lenz – sehr coole Projekte!

Scriptbakery: Welches Genre lektorierst Du am liebsten und wieso?

Lisa: Ich mag zeitgenössische Belletristik von jungen Autor:innen total gerne. Sie spielt sich in einer Welt ab, die ich kenne, und häufig wird eine Sprache verwendet, die ich auch so niederschreiben würde. Außerdem mag ich den pessimistischen Ton, der die Literatur unserer Zeit durchzieht – das Genre ist unaufgeregt, aber tiefgründig. Supertoll!

Scriptbakery: Ist es Dir wichtiger, dass ein Buch sich voraussichtlich gut verkaufen wird oder dass es „gut“ ist?

Lisa: Optimal wäre natürlich beides – und der wirtschaftliche Aspekt ist auch einer, den man bei diesem Beruf nicht vergessen darf. Normalerweise hat ein Lektor oder eine Lektorin zu bestimmen, in welcher Auflage wohl ein Buch gedruckt werden sollte, oder ob es gerade gut auf den Markt passt. Glücklicherweise habe ich bei Kladde da erstens das Tool „Crowdfunding“, das mir genau anzeigt, ob und wie sich ein Buch verkaufen wird, und zweitens einen Verleger, der diesen Aspekt auf dem Schirm hat, wenn ich mal wieder schwärmend ein neu gefundenes Manuskript anpreise. Ich persönlich kann mich also klar auf den Text und seine Qualität fokussieren – mit dem Wissen im Hinterkopf, welche Zielgruppe mein Verlag am besten erreicht.

Das Skurrilste war wohl eine wissenschaftliche Abschlussarbeit, die zwar ein total tolles Thema hatte, aber von einem chinesischen Muttersprachler geschrieben wurde. Er setzte mir an meine Korrekturen immer wieder staubtrockene Kommentare wie „Warum?“ und wollte ganz viel lernen, was für mich einfach Sprachgefühl war. Am Ende der Überarbeitung wusste ich, welche Struktur die chinesische Sprache hat, und warum der Autor welche sprachlichen Fehler gemacht hat. Es war total bereichernd für uns beide – aber der Aufwand war sehr unverhältnismäßig.

Scriptbakery: Zum Abschluss eine kleine Klischee-Frage, aber wenn frau schon mal eine Literaturexpertin vor sich hat: Was sind Deine absoluten Lieblingsbücher?

Lisa: Mein allerliebstes Lieblingsbuch ist „Die Unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich es damals gelesen habe, es macht mich immer ganz nostalgisch, die rote und grüne Schrift zu sehen.