Tags: Stil, Stilmittel, Literatur, Textanalyse
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Wozu überhaupt Stilmittel?

 

Sprache ist Kunst. Oder sagen wir lieber: Sprache kann Kunst sein in den richtigen Händen. Sprache ist eine riesige Werkstatt und in ihr gibt es hunderte von Werkzeugen, mit denen man Schönes schaffen kann. Einige dieser Werkzeuge sind Mittel zum Stil. Stilmittel. Ist das überflüssiger Schnickschnack, fragt sich vielleicht mancher Handwerker. Nein, sage ich. Und ohne viel überflüssigen Schnickschnack gibt es deswegen jetzt sogleich eine Aufzählung meiner Lieblingsstilmittel, auf dass sie genutzt werden, um künftige Kunstwerke zu verschönern.

Stilmittel No. 1: Akkumulation

 

Die Akkumulation ist eine gierige Rafferin, die sich nicht nur mit einem lausigen Begriff zufriedengeben will. Werfen wir einen Blick weit zurück, um zu schauen, woher dieser Hang zur Ausschweifung kommt: Der Namensursprung für unser Stilmittel findet sich im alten Latein, accumulare, was so viel bedeutet wie „anhäufen, ansammeln“ und genau das wird hier gemacht. Das hiesige Mittel zum Stil bedeutet die Aneinanderreihung von Synonymen oder Unterbegriffen unter einem Oberbegriff. Fragt mich mein Freund, wo ich gerade bin, könnte ich natürlich antworten „ich bin in der Bibliothek“. Ich könnte aber auch sagen: „Ich bin am Ort der Bücher, des Lesens, des Lernens, der Produktivität, der stillen Erleuchtung, der geistigen Entfaltung!“ Die Wahrscheinlichkeit, dass er mich daraufhin findet, ist vielleicht geringer, aber die Wahrscheinlichkeit, dass er meine Eloquenz bewundert, sehr viel höher. Prioritäten, meine Freunde, Prioritäten.

Stilmittel No. 2: Symbol

 

Folgt mir nochmal zurück in die Antike, da hält man sich doch gern auf … Diesmal verlassen wir die Römer, auch wenn die dem Stilmittel seinen Namen gaben (das lateinische symbolum wird übersetzt mit „Erkennungszeichen“) und begeben uns in das Alte Ägypten. Pyramiden, Nil, Wüste, Kultur, Papyrus! Merkt ihr was. Betrachten wir ein paar altägyptische Wandmalereien, fällt uns unter anderem das Bild einer Waage auf. Diese ist, ihr habt es gewiss schon erraten, ein Symbol. Ein Symbol für was? Na, für das Totengericht im Glauben der Alten Ägypter, bei dem auf eben jener Waage das Herz des Verstorbenen gegen eine Feder aufgewogen wird. (Die Feder ist noch so ein Symbol für die göttliche Gerechtigkeit im altägyptischen Glauben, in Religionen wimmelt es sowieso nur so von Symbolik.) Das Herz muss leichter als die Feder sein, also frei von schweren Sorgen und drückenden Sünden, ansonsten wird es von der Göttin Ammit mit dem Krokodilkopf gefressen. Daraufhin kann sich der Ba des Verstorbenen, grob übersetzbar mit „Seele“, nicht mehr mit dem Leichnam vereinigen. Ein ewiges Leben im Totenreich wird unmöglich. Aus und vorbei. Ihr seht also, es hängt so einiges an dieser kleinen Waage; sie allein steht stellvertretend für eine ganze Schublade an menschlichen Assoziationen, Vorstellungen, Hoffnungen und Ängsten.

Stilmittel No. 3: Die Alliteration

 

Stilmittel sind super, sie schaffen saftigen Spaß, sowie Spannung, sinnige Sinnbilder, sonnige Skripte, satte Seiten, schamlose Späße, salonfähige Satzkunststückchen. Aber Alliterationen werden auch andauernd ausufernd angewendet, anders ausgedrückt: akkumulieren sich? Na na, nimm’s nur nicht nachtragend! Erbitte etwas Einsicht!

Ja, das erklärt sich dann wohl von selbst. Übrigens waren auch die alten Römer, deren Meinung sich meiner Meinung nach immer lohnt, angetan von Alliterationen. Das Wort baut sich zusammen aus dem lateinischen ad („zu“) und litera („Buchstabe“). Cato begann seine Ansprachen im Senat stets mit Ceterum censeo Carthaginem esse delendam, was so viel heißt wie „im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden sollte“ – gut zu wissen, woran man ist. Und Caesars berühmtes veni, vidi, vici kennt wohl auch jeder.

Stilmittel No. 4: Der Euphemismus

 

Begeben wir uns als Sprachforscher wieder auf die Suche nach der Herkunft unseres Stilmittels Numero Vier, stoßen wir auf die dritte antike Kultur. Frohlocken! Die alten Griechen kannten einen Ausdruck, euphemia, der so viel bedeutet wie „Worte von guter Vorbedeutung“, kurz: Es geht hier um Beschönigung. Wir alle kennen Situationen, in denen wir aufwertende, mäßigende oder vertuschende Formulierungen gerne verwenden, um Streit zu vermeiden, soziale Normen nicht zu brechen oder unseren Gegenüber nicht zu brüskieren. – Ein Beitrag wird nicht erhöht, er wird „angepasst“. Ein Dieb hat keine Straftat, sondern einen „Fehltritt“ begangen. Ein Altersheim ist eine „Seniorenresidenz“. Nein, ich bin nicht geizig, ich bin „asketisch“ und auch nicht stur, sondern nur „beharrlich“ und manche Leute sind nicht Sonderlinge, sondern „Individualisten“, andere sind nicht dick, sondern „gut beieinander“. Am Rande: Natürlich sind Euphemismen auch zu hinterfragen. Muss man manche Dinge denn überhaupt „beschönigen“ oder könnte man sie auch einfach wertfrei als das akzeptieren, was sie sind?

Stilmittel No. 5: Die Hyperbel

 

Fragen wir nach der Wortherkunft der Hyperbel, erlangen wir wiederum Erleuchtung bei den alten Griechen. Das altgriechische Hyperbolé bedeutet „Übertreffung“ oder „Übertreibung“. Die Hyperbel ist die Königin der Übertreibung. Man darf sie nicht zu wörtlich nehmen. Wären manche Autofahrer wirklich „im Schneckentempo“ oder aber „blitzschnell“ unterwegs, sähe die Verkehrssituation in Deutschland anders aus. Würde bei großer Traurigkeit tatsächlich ein „Meer aus Tränen“ entstehen, hätte die Menschheit regelmäßige Überschwemmungsprobleme. Würden grantige Menschen ab und an wirklich „Gift und Galle spucken“, würde sich ihr Bekanntenkreis rasch dezimieren. Gäbe es Hyperbeln in unserem Sprachgebrauch buchstäblich wie „Sand am Meer“, würden wir mittlerweile weitab der Realität leben. Aber in angemessener Dosierung zeichnet die Königin der Übertreibung sehr anschauliche und eindrückliche Bilder.

Stilmittel No. 6: Das Oxymoron

 

Das Oxymoron hat schon einen Namen, der nicht nur großartig klingt, sondern auch Programm schreibt. Oxys bedeutet „scharf(sinnig)“ und moros kann man mit „dumm“ aus dem Altgriechischen übersetzen. Hach, die alten Griechen, die konnten’s mit der Sprache. Jedenfalls bezeichnet man als Oxymoron, wie der Name schon vermuten lässt, eine Formulierung aus zwei einander eigentlich widersprechenden oder sich ausschließenden Begriffen. Beispiele wären hier der „alte Knabe“ aus dem Freundeskreis, das „beredte Schweigen“, das sich zwischen zwei Liebenden auftun kann, der dramatische „stumme Schrei“ oder das häufig vertretene Motto „Weniger ist Mehr“. Was jeder dieser Formulierungen anhaftet, ist eine ganz bestimmte Vorstellung, die gerade durch ihr Paradoxon entsteht. Manchmal braucht es eben den Widerspruch zur Bekräftigung.

Zusammenfassend

 

Sprich: Schöne Stilmittel bestimmen die Produktionsästhetik (was für ein tolles Wort). Sie können Reden und Texte lebendiger machen, unerwarteter, emotionaler, können Bilder in den Kopf zaubern, die sich dort festsetzen wie der Honig an der Butter auf dem Brot. Sie verlangen von den Leser*innen, auch mal zwischen die Zeilen zu linsen und von der Oberfläche in die Tiefe zu springen. Also: Ruhig benutzen, sie wollen benutzt werden.

Zum Schluss noch ein letztes Stilmittel: Der Befehl, Beispiel folgt: Hab noch einen schönen Tag! Lies ein gutes Buch! Lass einen Kommentar da! Komm bald wieder!