Tags: Emotionen, Sprache, Textanalyse
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Die Bedeutung der Sprache

Sprache ist überall. Sie umgibt uns, formt uns, beeinflusst uns. Dabei ist uns die Macht, die unsere Worte entfalten können, oft gar nicht bewusst. Wir gehen an Werbeplakaten vorbei, die in uns den Drang wecken, sofort neue Jeans oder reife Tomaten zu kaufen. Wir sehen oder lesen die Nachrichten, die uns die Realität erklären wollen und schmökern in Büchern, die uns von der Realität ablenken sollen. Wir trösten unsere Freunde, wenn sie Liebeskummer haben, sagen Plattheiten wie „die Zeit heilt alle Wunden“ und versichern sie unseres Beistands. Wir diskutieren, debattieren, halten Vorträge; wir überzeugen und beeinflussen Andere. Wir teilen mit, wie es uns geht oder verbergen mit geschickter Sprachakrobatik unsere wahren Gefühle. Wir kommen anderen Menschen näher oder entfernen uns von ihnen – alles mit und durch unsere Sprache.

Was wir selbst selten kontrollieren, aber tagtäglich erfahren können, das vermögen wir unseren fiktiven Figuren ebenfalls mitzugeben. Hier, mit dem Stift in der Hand oder den Fingern auf der Tastatur, haben wir die Kontrolle; hier können wir Emotionen beschreiben, implizieren, wecken, ausradieren und damit auch auf den Leser übertragen und ihn daran teilhaben lassen.

Sprache weckt Emotionen, das ist ihre Superkraft.

Wie drücken wir unsere Emotionen aus?

Emotionen sind körperlich. Viele Gefühle können wir nicht unterdrücken und spüren sie von Kopf bis Fuß, ob wir wollen oder nicht. So haben Worte direkten Einfluss auf unser körperliches Empfinden. Ein „Ich liebe dich“ weckt hundert Schmetterlinge im Bauch, von deren Existenz wir gar nichts wussten, während ein „Abgabe war gestern“ das Herz zusammenkrampfen lässt, als hätten diese drei Worte ihm eins übergebraten. Es gibt in unserer Sprache viele Redewendungen, die eben diese Körperlichkeit von Emotionen ausdrücken; so hat man eben Schmetterlinge im Bauch, das Herz rutscht einem in die Hose oder eine Laus ist über die Leber gelaufen.

Wir können Emotionen ausdrücken und umschreiben; das geht verbal, nonverbal, explizit oder implizit. Wir verstehen es, wenn jemand davon spricht, dass ihm der Schweiß auf der Stirn steht und die Zähne klappern; wir können Emotionen aber auch direkt benennen, können unumwunden klarstellen: „Ich habe Angst!“

Wie werden Emotionen noch vermittelt? Wir teilen sie in schriftlichen Texten oder mündlich mit; von Angesicht zu Angesicht; durch Mimik und Gestik, Körpersprache und Körperbewegungen; durch Distanz oder Nähe, Direktheit, Spontanität; durch Stimme und Betonung, wütende Ausrufe und verlegene Füllwörter. Es gibt 1001 Art, unsere Emotionen mitzuteilen; ob sie so ankommen wie gewünscht, das ist eine andere Frage.

Sprache & Emotion – wann & wo?

„Sprache und Emotion“, ein Thema, mit dem sich schon die antiken Griechen ausgiebig beschäftigten. In den antiken Dramen spielen Leidenschaften die Hauptrolle und schon Aristoteles spricht von ihrer Verarbeitung beim atemlosen Zuschauer, der „Katharsis“. Es gibt Regelpoetiken, die Publikumsrezeption wird untersucht. Die politischen Reden der Griechen und Römer strotzen nur so von rhetorischen Kniffen und verborgener Überzeugungskunst. In der antiken Philosophie, etwa bei Epikur und Zenon, wird nicht nur über das Denken, sondern auch über das Fühlen reflektiert, Abhandlungen über die Affektlehre und die Affektkontrolle werden geschrieben. Die würdevolle Beherrschung der inneren Triebe ist hier Kanon.

Im achtzehnten Jahrhundert ändert sich das mit den Stürmern und Drängern und in der Romantik. Das Gefühl erlebt eine triumphale Wiederkehr. In einer Gegenbewegung zur Klassik werden flammende Gefühle wieder aufgewertet, spielen in der Literatur eine weitaus wichtigere Rolle und sollen nicht mehr länger unterdrückt werden zugunsten des kühlen Geistes.

Und was ist mit heute? – Es scheint, als hätten unsere Gefühle wieder eine Aufwertung erfahren, sowohl in der psychologischen, kultur- und literaturwissenschaftlichen Forschung, als auch in den Sozialen Medien. Jeder spricht von „mentaler Gesundheit“ und von einem „gesunden“ Umgang mit den eigenen Emotionen; man soll ehrlich sein, ehrlich zu sich selbst und zu anderen, was seine Gefühle angeht. Leichter gesagt als getan?

Unsere Gesellschaft wird mittlerweile zu einem großen Teil von Sozialen Medien geformt, man mag davon halten, was man will. Hier wird den Emotionen (ob authentisch oder nicht) häufig stärker freien Lauf gelassen als im „realen“ Leben. Das mag mit der Anonymität zusammenhängen, die man als Nutzer im Internet erfährt; es ist sehr viel einfacher, einen bösartigen Kommentar zu hinterlassen, als jemandem seine Meinung ins Gesicht zu sagen und direkt mit den Konsequenten konfrontiert zu werden.

Schwieriger wird Kommunikation auch dadurch, dass zwei Sprecher*innen Emotionen vielleicht ganz anders wahrnehmen, definieren und mitteilen. Was weiß ich denn davon, wie es sich anfühlt, du zu sein?

Emotion wird in unterschiedlichen Altersgruppen und Kulturen anders codiert; zwei Menschen können über ihre Gefühle sprechen, ohne dass einer den anderen auch nur im Ansatz versteht. Es klingt zwar wie ein Klischee, ist aber belegt, dass beispielsweise in Deutschland Sprache als unmittelbarer und vorwiegend ehrlicher Ausdruck authentischer Gefühle betrachtet wird. Unser kulturprotestantisches Erbe und der Einfluss der Empfindsamkeits-Epoche lassen uns Sprache als einen Spiegel unserer Seele betrachten. In romanischen Sprachen wiederum herrscht die Freude am schönen Ausdruck vor; Sprache ist mehr ein Spiel mit Form und Inhalt, eine wunderhübsche Oberfläche, die über die Tiefe nicht zwingend etwas aussagen muss.

Emotion auf Wort- & Satzebene

Worte wecken verschiedene Assoziationen auf der individuellen Ebene und Konnotationen auf der kultur- und gruppenspezifischen Ebene. Diese Eigenschaft übernimmt in vielen Bereichen unserer Kultur eine wesentliche Funktion: In der Politik und Meinungsbildung, in der Werbung und im Verkauf, bei unseren Körperbildern und Wertvorstellungen, usw.

Selten steht eine Aussage einfach nur für sich; meistens offenbaren wir durch Körpersprache, Mimik und Intonation unsere Einstellung dazu und geben so gleich eine Wertung mit ab, ob gefragt oder ungefragt. Teilweise können die lexikalische Bedeutung eines Satzes und die tatsächliche Bedeutung der Äußerung weit auseinanderklaffen. Das passiert beispielsweise, wenn ein Ausdruck vor Ironie nur so trieft, wenn man also durch Betonung, Blick oder Kontext suggeriert, dass man gerade etwas ganz anderes meint als das, was man sagt.

Manchmal schwingt in einer Aussage oder in einem Wort eine ganze Welle an zusätzlicher Information oder emotionaler Haltung mit, die nicht ausgesprochen wird und oft auch nicht ausgesprochen werden muss. Metaphern, dieses bekannte rhetorische Mittel, sind ein gutes Beispiel hierfür. Lasst uns kurz in die Theorie hinter dem Stilmittel lugen. Eine Metapher besteht aus einem Quellbereich und einem Zielbereich. Ersteres ist der Teil des Ausdrucks, mit dem bestimmte Eigenschaften und Konnotationen verbunden werden, die wiederum auf den Zielbereich übertragen werden sollen. Ein trauriges, aber eindrückliches Beispiel ist das Kompositum der „Asylantenflut“. Die „Flut“ ist hier der Quellbereich, die „Quelle“ an Konnotationen, die geweckt werden (sollen), in diesem Fall etwa die Eigenschaften „überwältigend“, „gefährlich“, „schwer einzudämmen“. Jene Merkmale des Begriffes „Flut“ werden übertragen auf den Zielbereich, die „Asylanten“, und damit werden beim Hören dieses Ausdrucks völlig andere Emotionen geweckt als wenn „Asylanten“ einfach und für sich stünde.

Verantwortung im Umgang mit Sprache

Wir sehen, Sprache ist ein kompliziertes Medium; mit ihr ist vieles möglich, aber auch Missverständnisse sind ab und an unvermeidbar. Deshalb bringt ihre Nutzung eine gewisse Verantwortung mit sich. Ob man nun Blogbeiträge für das weite Feld des Internets schreibt, einen Brief an die geliebte Oma, eine politische Rede für tausende von Zuhörern, oder ein Buch für eine kleine Gruppe von Leseratten – man sollte sich der Wirkung und Bedeutung von Sprache dabei stets bewusst sein, hinterfragen, welche Emotionen man damit wecken kann und möchte – und welche lieber nicht.