Stichworte: Nachhaltigkeit, Verlagswesen
Autor/in: Caroline Breitfelder
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Wie denkt man Buchproduktion ganzheitlich? Die Diskussion über Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein hat auch unsere Buchbranche erreicht. Was genau bedeutet Nachhaltigkeit für Verlage und Buchproduktion, wie kann man sie umsetzen, was sind Herausforderungen und Chancen? Darum soll es in dem heutigen Beitrag gehen.

 

Was bedeutet Nachhaltigkeit in der Buchbranche?

 

Ist Nachhaltigkeit das Gleiche wie Umweltfreundlichkeit? Nicht zwingend; vielmehr ist Umweltfreundlichkeit ein Teil nachhaltigen Handelns. Nachhaltigkeit vereint drei Dimensionen in sich: die ökologische (hier kommt die Umweltthematik ins Spiel), die ökonomische (das wäre der wirtschaftliche Aspekt) und die soziale Dimension. All das muss zusammen gedacht werden, will man sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben können.

Wenn wir die Buchproduktion auf Nachhaltigkeit hin untersuchen wollen, denken wir zuerst an: Papier, Papier, Papier. Das macht auch durchaus Sinn, wird doch laut WWF jeder zweite industriell genutzte Baum für die Papierherstellung gefällt. Jährlich gibt es in Deutschland rund 80.000 bis 90.000 Neuerscheinungen und über 400 Millionen Bücher insgesamt, die nur in Deutschland (!) pro Jahr produziert werden. Die Buchbranche nimmt hier auch keine kleine Rolle in der Diskussion um Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein.

Neben Papier werden wir im Folgenden aber auch einen Blick auf Druckfarben, Plastikumschläge, Klebstoff und Transport werfen - alles Dinge, welche neben dem Papier die Nachhaltigkeit unserer Bücher beeinflussen.

Papier

Was wurde schon getan?

Möchte man sich beim Einkauf nachhaltig orientieren, gibt es zum Beispiel bestimmte Siegel, die dem Kunden Nachhaltigkeit oder Umweltfreundlichkeit signalisieren. So etwa den "Blauen Engel" für umweltfreundliche Druckerzeugnisse, der gewisse Standards für die Herstellung und das Energiemanagement eines Verlags fordert, oder das FSC-Siegel, welches nachweist, dass das Papier zu 70 Prozent aus zertifizierter "nachhaltiger" Forstwirtschaft stammt. Natürlich werden für dieses Papier jedoch auch Bäume gefällt; noch besser ist auch FSC-zertifiziertes Recyclingpapier.

Ende 2018 wurde weiterhin ein Schritt in die Richtung Nachhaltigkeit getan, indem man die Einschweißfolie bei Hardcover-Büchern größtenteils wegließ, also den Versuch unternahm, dadurch weniger Plastik zu verbrauchen.

Allerdings muss man einwenden: Ja, Plastik ist umweltschädlich; in der Produktion allerdings benötigt Papier nicht nur noch mehr Energie, sondern auch immense Mengen an Wasser. Bei der Buchherstellung macht die Papierproduktion in der Klimabilanz eines Buches rund 70 bis 80 Prozent der Emissionen aus; daher sollte man auch mit Papiervorräten nicht sorglos umgehen.

Nachhaltige Umsetzungsmöglichkeiten: Papier und Folie

 

Manche Verlage, zum Beispiel Matabooks aus Dresden, setzen auf Graspapier, was bedeutet, dass bis zu 50 Prozent der Zellstofffasern des Papiers aus Gräsern bestehen. Grasflächen sind, im Gegensatz zu Waldgebieten, in Deutschland genügend vorhanden, was unter anderem längere Transportwege vermeidet. Außerdem werden bei der Herstellung herkömmlichen Holzzellstoffes über 5.000 Liter Wasser pro Tonne verbraucht, während man für dieselbe Menge an Graspapier weniger als zwei Liter Wasser benötigt. Apfelpapier oder Recyclingpapier sind ebenfalls nachhaltige Möglichkeiten.

Die Schutzumschläge und -folien, in die man Bücher einpackt, sind, soweit noch vorhanden, ebenfalls ein Problem. Während früher Schutzumschläge genau für das da waren, was ihr Name verspricht, nämlich Schutz, sind sie heute vielmehr Marketingprodukt geworden und dazu da, die Bücher hübscher und bunter aussehen zu lassen. Nachhaltig wäre es, die Umschläge gänzlich wegzulassen oder auf kompostierbare Folien oder Folien aus Restposten von Leinen zu setzen.
Papierschiffchen

Nachhaltige Umsetzungsmöglichkeiten: Druckfarbe und Klebstoff

 

Wie gesagt spielt im Bereich Umweltschutz in der Buchbranche nicht nur das Papier eine Rolle. Auch Druckfarben auf Mineralölbasis und bestimmte Klebstoffe verhindern, dass das Produkt recycelt oder adäquat entsorgt werden kann. Hier bieten sich Alternativen von Druckfarben auf Leinölbasis oder Klebstoffen auf Wasserbasis an.

Das Cradle-to-cradle-Konzept etwa achtet auch auf diese Einzelheiten; es bedeutet übersetzt "von der Wiege zur Wiege" und setzt sich zum Ziel, einen Produktionskreislauf zu schaffen, bei dem das Endprodukt schadstofffrei und kompostierbar ist, sodass es wieder verwendet werden kann, um ein neues Produkt herzustellen.

 

Digitales Lesen?

Viele sind der Meinung, dass eBooks die umweltfreundliche Alternative zu Büchern aus Tinte und Papier sind; ganz so stimmt das allerdings nicht. Die eBooks selbst sind dabei nicht das Problem, sondern vielmehr die Endgeräte, auf denen sie genutzt werden; beispielsweise Tablets, die in der Produktion Unmengen an Energie und später im Gebrauch viel Strom verbrauchen und außerdem häufig weite Transportwege hinter sich haben.

Der Umstieg auf digitales Lesen würde sich auch nur mehr lohnen, wenn man etwa Ökostrom nutzt und / oder das Endprodukt, auf dem gelesen wird, häufig und jahrelang genutzt wird; wenn man sich aber stattdessen jedes Jahr ein neues Kindle kauft, um im Laufe des Jahres dann zwei Bücher zu lesen, wäre man besser beraten, diese im "normalen" Buchhandel zu erwerben.

Digitales Lesen

Nachhaltige Umsetzungsmöglichkeiten: Quantität und Transport

Die meisten lokalen Buchläden bieten ihren Kund*innen Lieferdienste an; das heißt, wenn ein Buch nicht vorrätig ist, wird es sogleich bestellt und kommt ein, zwei Tage später an. Das tun die Buchhändler, weil sonst viele aus Bequemlichkeit ihre Bücher online bestellen würden, kreieren damit jedoch lange und unnötige Transportwege. Praktischer, wenn auch weniger "kundenfreundlich", wäre es, Transportlieferungen zu bündeln, sodass nicht jede Bestellung einzeln umhergeschifft werden muss.

Auch die Menge an gedruckten Büchern ist ein Problem; es wird sehr viel mehr gedruckt als schließlich gekauft wird, was eine ganze Menge an verschwendeten Ressourcen und verschwendeter Energie nach sich zieht. Auf die tatsächliche Nachfrage zu achten ist eine Möglichkeit; natürlich müssten sich dann Käufer*innen auch mal gedulden und bereit sein, auf das gewünschte Produkt zu warten.

Chancen & Herausforderungen bei der nachhaltigen Buchherstellung

 

Abgesehen von ideellen Werten und Verantwortungsbewusstsein bietet nachhaltige Produktion Verlagen auch den weiteren Vorteil, dass Umweltschutz ein immer größeres Thema in der Gesellschaft wird. Das bedeutet, nachhaltige Bücher sind immer mehr gefragt. Außerdem können Verlage, indem sie umweltfreundlich und nachhaltig produzieren, eine eigene Marke und ein eigenes Gesicht kreieren, was ansonsten in der Verlagswelt keine Leichtigkeit darstellt.

Andererseits wurde bereits erwähnt, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Dimension beinhaltet. Das heißt, die Verlage müssen auch in der Lage sein, sich finanziell über Wasser zu halten. Nachhaltige Produktion bedeutet Aufwand, Forschung und Mehrarbeit, man muss auch eine gute Stange Geld investieren - und das, obwohl die Buchbranche es sowieso mit einem schwindenden Markt zu tun hat.

Dazu wünschen sich die Konsument*innen stets nur allerbeste Qualität. Das ersehnte Buch soll immer sofort, zuhauf und möglichst hübsch gestaltet vorrätig sein. Recyclingpapier schmälert das Leseerlebnis und auf ein Buch tagelang zu warten macht auch keinen Spaß. Sie sehr schon, worauf es hinausläuft: Wir, die Konsument*innen, müssen uns hier mal selbst an die Nase fassen. Ob es nun darum geht, beim Kauf auf den "Blauen Engel" zu achten, recycelbare Papieralternativen zu wählen oder umweltfreundliche Verlage zu unterstützen - was gekauft wird, das wird auch produziert. Die Kund*innen haben auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das, was in der Buchbranche passiert und passieren wird.

Bunte Bücherwand

Augen auf!

 

Fazit: Die Umsetzung nachhaltiger Buchherstellung läuft in der meist traditionell agierenden Buchbranche eher schleppend. Es gibt schon einige Alternativen, auch hier in Deutschland, deren Durchsetzung aber (noch) in seltenen Fällen gelingt. Wenn wir möchten, dass die Buchbranche in Deutschland mehr auf nachhaltige Entwicklung und Herstellung setzt, müssen wir als Leser*innen darauf achten, dass wir eben jene Produktion begünstigen und unterstützen, indem wir darauf achten, zu welchen Büchern wir wo greifen. Also: Augen auf beim Bücherkauf!